17.09.2019

„Wie populistisch sind die Deutschen?“

Viele Zuhörer bei politischem Dialog des Kolpingwerkes in Münster

Das Kolpingwerk Diözesanverband (DV) Münster nimmt sein 160-jähriges Bestehen zum Anlass, im Jubiläumsjahr 2019 in allen neun Regionen des Diözesanverbandes Fragen zu christlichen Werten in Kirche, Wirtschaft und Politik zu erörtern. Im September wurde in der Region des Kolping-Stadtverbandes Münster zu einer hochkarätig besetzten Diskussionsveranstaltung zur Meinungsbildung über die Frage „Wie populistisch sind die Deutschen?“ eingeladen.
Neben Mandatsträger_innen aus Kolping, Politik oder Selbstverwaltung kamen auch interessierte Bürger_innen in das Stadthotel Münster. Die Teilnehmerzahl mit über 60 Personen, darunter erfreulich viele junge Menschen, übertraf die Erwartungen.
Diözesanvorsitzender Harold Ries begrüßte

  • Dr. Robert Vehrkamp (Bertelsmann-Stiftung / Veröffentlichungen zur Thematik)
  • Stephan Orth (Sprecher des Kreisverbandes der Bündnis 90 / Die Grünen, Theologie-Student) und
  • Ruprecht Polenz (19 Jahre Bundestagsabgeordneter und von 2005 – 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages)

Moderiert von Uwe Slüter (Kolping-Geschäftsführer) und Daniel Fissenewert (Verbandsreferent), wurde im lockeren Dialog informiert und diskutiert.
Zum Einstieg referierte Dr. Robert Vehrkamp, Senior Advisor im Programm „Zukunft der Demokratie“ der Bertelsmann Stiftung, und derzeit Gastwissenschaftler der Abteilung „Demokratie und Demokratisierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) zum Thema „Populistische Einstellung in Deutschland“. Ein Kernsatz aus seiner Analyse: „Populismus ist eine Gefahr für die Demokratie. Und zwar dort, wo Populisten tatsächlich Gestaltungsvollmachten erhalten.“

Gegen das etablierte Parteiensystem
Die Zahl der Anhänger nehme mit höherem Bildungsgrad ab. Bildungsferne Menschen seien eher gefährdet, allerdings, so Dr. Vehrkamp: „Populismus ist auch in der Mitte der Gesellschaft verankert. Manche wählen die AfD aus einer Protesthaltung, also bewusst gegen das etablierte Parteiensystem.“ Als ein Auslöser könne der Umgang mit der Migrations- und Flüchtlingskrise in 2015 gesehen werden. Die Ursachen jedoch seien „tiefsitzende Funktionsprobleme“.

Dr. Vehrkamp: „Die Politik hat große ‚Repräsentationslücken‘ zugelassen und die seit den 80-er Jahren sinkende Wahlbeteiligung lange verharmlost, das ist ein Versagen auch der etablierten Parteien.“ Es werde nicht leicht, die AfD als mittlerweile etablierte Partei aus dem bestehenden Parteiensystem wieder hinaus zu bekommen. Die Parteiprogrammatik der anderen Parteien reiche dazu nicht aus. Dr. Vehrkamp: „Das alte Modell der mitgliederzentrierten Parteien wird das Problem nicht lösen.“ Das Durchschnittsalter der beiden Volksparteien sei über 60 Jahre, sie repräsentierten die Bevölkerung nicht mehr. „Hier müssen demokratiepolitische Veränderungen gelingen. Wir brauchen neue politische Beteiligungsverfahren.“

Mehr als Herkunft oder Religion
Ruprecht Polenz würde aufgrund der politischen Thesen der AfD eher von Rechtsradikalismus sprechen. „Sie als Populisten zu definieren ist meines Erachtens zu verharmlosend für das, worüber wir reden. Es geht ihnen um Machtergreifung, nicht um politische Argumentation.“ Die Bürgerinnen und Bürger seien verunsichert, es fehlten Antworten auf die Fragen zur Globalisierung und zu Klimathemen. „Es geht um eine Veränderung des politischen Koordinatensystems.“ Auf eine Publikumsfrage rät er allen Menschen, sich gegen zugeschriebene Identitäten zu wehren. „Wir sind mehr als unsere Religion, Herkunft oder Nationalität.“
Stephan Orth stellte am Beispiel der Ratsarbeit der Stadt Münster die Frage, wie konkret nur schon die Kommunalpolitik mit ihren Informationen und Beschlüssen des Rates die Menschen tatsächlich erreichen kann. „Auch die Generation der Klimaschutzbewegung ‚Friday for Future‘ fühlt sich nicht von der derzeitigen Politik vertreten.“ Es sei Aufgabe direkt auch der Politiker vor Ort, sich selbstkritisch zu fragen, was die Menschen bewege und wie man sie erreichen könne. Stephan Orth richtete eine Frage an die Gruppe jugendlicher Zuhörer: „Würdet ihr in eine Partei gehen?“ Antwort eines jungen Mannes: „Wir haben keine Politikverdrossenheit. Wir wollen aktiv sein, aber nicht in einer Partei sein.“

Text: Rita Kleinschneider / Anke Heining

Auf Einladung des Kolpingwerkes im Dialog zum Populismus (v. li.) Ruprecht Polenz, Stephan Orth und Dr. Robert Vehrkamp.
Foto: Anke Heining 
Auf Einladung des Kolpingwerkes im Dialog zum Populismus (v. li.) Ruprecht Polenz, Stephan Orth und Dr. Robert Vehrkamp.
Foto: Anke Heining
Ein Blick in die Zuschauerreihen
Foto: Anke Heining 
Ein Blick in die Zuschauerreihen
Foto: Anke Heining
 
 

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